OOH-Magazin Ausgabe 4 - 2016

Es ist geradezu paradox. Obwohl die Politik Werbung in eigener Sache intensiv nutzt, hat sie zur Werbung selbst kein besonders positives Verhältnis. Viele Politiker haben eine relativ eindeutige und einfache Einstellung zu diesem Thema. Erstens – es gibt Produkte, deren Verbreitung aus politischer Sicht nicht erwünscht ist (zum Beispiel Tabakprodukte). Zweitens – es gibt Formen der Markenkommunikation, die aus Sicht von Interessengruppen nicht erwünscht sind und deshalb auch von Teilen der Politik kritisch gesehen werden (zum Beispiel geschlechterdiskriminierende Werbung). Beide Perspektiven bilden für Politiker jeweils Anlässe, tätig zu werden und Regulierungsvor- haben anzugehen. Interessant ist dabei, dass dies die einzigen Perspektiven sind. Ökonomi- sche Fragestellungen blenden Politiker mit Blick auf Werbung komplett aus. Daraus ergibt sich die erste von zwei Annah- men, von denen Politiker beimThema Werbe- regulierung ausgehen, nämlich die der weitge- henden Folgelosigkeit: Werbeverbote kosten nach dieser Lesart weder Wählerstimmen noch Arbeitsplätze. Die zweite Annahme ist die von der Unmündigkeit des Konsumenten. Konsu- menten sind danach auch dann empfänglich für die Verführungsversuche der Werbung, wenn die Folgen für sie nachteilig sind, der Konsum beworbener Produkte etwa gesund- heitsschädlich ist. Beide Annahmen sind erwiesenermaßen falsch. Werberegulierung ist erstens gerade nicht folgenlos. Dabei geht es gar nicht um Arbeitsplätze in der Werbebranche, die mög- licherweise gefährdet wären. Eine aktuelle Stu- die des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor- schung (DIW) belegt vielmehr einen kausalen (!) positiven Effekt der Höhe der Werbeinves- titionen auf das Wachstum des Bruttoinlands­ produkts. Weniger Werbung bedeutet also weniger Wachstum, zudem laut DIW auch weniger am Markt erfolgreiche Innovationen und geringere Produktqualität. Und der Konsument ist zweitens gerade nicht unmündig. Diese ohnehin fragwürdige Annahme – schließlich ist der Konsument zugleich immer auch Wähler – hat zuletzt das Institut für Demoskopie Allensbach eindrucks- voll widerlegt. Die repräsentative Studie ergab unter anderem, dass sich die persönlich befrag- ten 1.400 Personen mehrheitlich sicher bei ihren Kaufentscheidungen fühlen. Wichtiger aber noch scheint, dass die wichtigste Infor- mationsquelle vor Kaufentscheidungen die Personen imUmfeld sind. Was daran unmün- dig sein soll, bleibt rätselhaft. Werberegulierung ist strikt abzulehnen. Sie bedeutet eine ordnungspolitisch nicht vertret- bare Sonderbehandlung eines Teils der Wirt- schaft. Werberegulierung stellt mehr Symbol- als Sachpolitik dar. Statt beispielsweise Tabakprodukte zu verbieten oder die entspre- chenden Steuern zu erhöhen um ein gesund- heitspolitisches Ziel zu erreichen, reguliert man auf Grundlage der oben skizzierten Annahmen lieber die Werbung. Dabei ist gerade hier besondere Vorsicht geboten. Auch Werbung ist eine Meinungsäußerung, ob uns diese passt oder nicht. Und wenn sie uns nicht behagt, gibt es dafür längst eine funktionierende Selbstregulierung. Der Deutsche Werberat geht jeder Beschwerde von Bürgern über vermeintlich unangemes- sene Werbung nach. Wenn sich der Rat der Kritik anschließt, wird gerügt, und in 90 Pro- zent der Fälle verschwindet die Kampagne. Weitere staatliche Regulierung brauchen wir nicht und sollten sie auch nicht wollen. Werbeverbote – die zarteste Versuchung, seit es Politiker gibt Dr. Ralf Nöcker Geschäftsführer des GWA, Verband der führenden Agenturen Deutschlands 17 OOH!–Aspekte

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