OOH-Magazin Ausgabe 3 - 2020

Deutschland liebt Erika. Die Protagonistin in der aktuellen Kampagne des Lebensmittelhändlers Edeka ist so etwas wie eine moderne „Tante Emma“ – als Ladeninhaberin und gute Seele ihrer Stadt, allseits beliebt und bekannt, für ein persönliches Gespräch ebenso wie für die Qua- lität ihrer Produkte. „Wir & Jetzt für unsere Region“ lautet das Motto des Auftritts, der unter anderem durch regional ausgesteuerte Plakate mit entsprechendem Bezug unterstützt wird. Rund zwei Wochen nach dem Start bescheinigt eine Analyse des Unternehmens Unruly der Regionalitätskampagne von Edeka, sie komme „außergewöhnlich gut bei der deutschen Bevölkerung“ an. Mit „Erika“ trifft Edeka den Nerv dieser so besonderen Zeit, in der die Viruserkrankung COVID-19 die gesamte Welt seit Monaten in den Ausnahmezustand versetzt. Die etablierten Verhältnisse in Wirt- schaft und Gesellschaft sind gründlich durcheinandergebracht, die Einschränkungen des öffentlichen, privaten und beruflichen Lebens, dazu die ständige Angst vor Krankheit und eventuell sogar Tod haben ihre Spuren in der Bevölkerung hinterlassen. Die Reaktion der Men- schen auf diesen Zustand maximaler Verunsicherung: Sie suchen die Geborgenheit ihrer vertrauten, überschaubaren Umgebung. Verschiedene Studien und Analysen aus den vergangenen Monaten gehen davon aus, dass „Corona“ einen tiefgreifenden Wertewandel forciert. Achtsamkeit, Bedeutsamkeit, Nachhaltigkeit, Nähe und damit auch Regionalität sollen künftig eine wesentlich größere Rolle im täg- lichen Handeln spielen. Sie bilden die Vorgaben für die Werbe- und Kommunikationsbranche auf der Suche nach der neuen Erfolgsformel für eine effiziente Zielgruppenansprache. Viele internationale Superbrands stecken in der Krise Die Serviceplan-Gruppe hat auf ihrer diesjährigen (erstmals virtuel- len) Marken-Roadshow ein Konzept dazu vorgelegt. Gemeinsammit dem Partner GfK hat sie „Regionale Potenziale in Zeiten der globalen Krise“ für die Markenkommunikation ermittelt und die Maßnahmen für ein Überleben von Marken und Unternehmen definiert. „Handeln tut not – und das mehr denn je. Denn die aktuelle Wirtschaftskrise findet auf zwei Ebe- nen statt: die Corona-Pandemie mit dramati- schen Konsequenzen für viele Branchen und Unternehmen und der Kollaps des Cross- Border-Geschäfts“, sagt Agenturgründer Dr. Peter Haller. Während Experten von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um rund 10 Pro- zent ausgingen, sei der Welthandel schon Ende 2019 auf das niedrigste Niveau seit zehn Jahren zurückgefallen; nun komme der bei- spiellose Absturz des weltweiten Wirtschafts- wachstums durch COVID-19 noch hinzu. Für Länder wie Deutschland mit einem Export- anteil von 47 Prozent sei dies ein besonders schwerwiegendes Problem. Haller betont: „Die Chancen für Unternehmen liegen jetzt im Binnenhandel, im Inland.“ In Deutschland wie auch in anderen Ländern ist das Vertrauen der Konsumenten in Marken der Weltkonzerne gegenüber nationalen Mar- ken deutlich gesunken, wie eine Studie der GfK belegt. Demnach haben zwei Drittel aller internationalen, großen Marken im rückläu- figen Welthandel Marktanteile verloren, aber nur ein Drittel aller nationalen bzw. regionalen Marken. Was macht Marken mit regionaler Anmutung gegenüber den „Superbrands“ so viel stabiler? „Vertrauen“ nennt GfK-Mann Harald Schuster als zentrale Kraft der Markenbindung. Schuster ist seit 20 Jahren in der Marktforschung und Marketingberatung tätig und Spezialist für „Insights Integration“. Regionale Nähe schlägt traditionelle Qualitätskriterien Vertrauen entsteht grundsätzlich dann, wenn Marken die relevanten Werte der Verbraucher teilen: Familie, Nähe, Regionalität. Hier haben die nationalen Unternehmen einen klaren Vorteil. Eine Umfrage im Rahmen der „Best Brands 2020“ zeigt das Misstrauen gegenüber Welt- „Krisenzeiten können auch gute Zeiten sein.“ Dr. Peter Haller (Serviceplan Group) 18 OOH!–Fokus

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