OOH-Magazin Ausgabe 1 - 2022

Haedrich: Das liegt im Auge des Betrachters. Aufgrund der politischen Prozesse sind manche Entscheidungen nur mit einer guten Vorbereitung zu treffen. Dies gilt insbesondere für Entscheidungen, die den – knappen- öffentlichen Raum betreffen. Wir setzen uns dafür ein, dass sich die Städte, Gemeinden und Verkehrsbetriebe dauerhaft mit ihrem wertvollen Inventar auseinandersetzen und eigene Kompetenzen aufbauen. Dazu braucht es den Input von multi-disziplinärem Know-how: Medienplanung für die Nachfrageseite, Raum- und Stadtplanung für die Belange von Stadt und lokalem Gewerbe sowie erfahrene Prozessmoderatoren. Eine enorm spannende Aufgabe. Die Unterstützung durch moderne, visuell getriebene, Datenbanksysteme zur Erfassung und Weiterentwicklung des Inventars ist darüber hinaus sehr sinnvoll. OOH!: Welche Vorteile hätte es für die Unternehmen der OOH-Branche, wenn sie ihre Geschäftstätigkeit stärker mit den Städten und Gemeinden abstimmen, als es bereits der Fall ist? Müller: Tatsächlich machen die Vermarkter heute bereits einen sehr guten Job und gehen unternehmerische Risiken ein. Beispiele sind für uns derzeit die Städte Hamburg und Berlin, bei denen nach harten Ausschreibungen – im Fall von Berlin auch mit der Trennung von Infrastruktur und Werberechten – großartige Installationen mit innovativen Werbeträgern realisiert wurden. Es braucht immer auch die Vermarkter, Innovationen zu realisieren und eine qualitative Konsolidierung des Werbeangebots voranzutreiben. Weniger – aber dafür gutes Inventar an geeigneten Standorten – ist mehr. Die Vermarkter sind damit ein wichtiger Partner auf dem Entwicklungspfad der Aussenwerbung in den Städten. OOH!: Wenn man zentrale Ergebnisse Ihrer Studie für die Deutsch-Schweiz und Deutschland vergleicht, weist der deutsche Markt bei deutlich geringerer Aussenwerbungsdichte einen höheren Modernisierungs- und Digitalisierungsgrad auf als die Schweiz. Wie ist das zu interpretieren? Müller: Die Marktstrukturen, die Situation der Vermarkter mit den Verträgen und das geringe Engagement der Städte und Gemeinden selbst haben allem Anschein nach dazu geführt, dass der Innovations- und Digitalisierungsgrad in der Deutsch-Schweiz geringer ist. Offensichtlich wurden aber die Vermarkter in Deutschland stärker gefordert, auch weil die Städte größer sind und der Wettbewerb intensiver war als in der Schweiz – sieht man von den letzten drei Jahren ab. Dies scheint sich nun zu ändern, auch weil durch die Digitalisierung weitere Marktplayer mit neuen Geschäftsmodellen und mit neuen Technologien aufgetaucht sind. Ein Phänomen, das auch aus anderen Branchen mit digitaler Transformation bekannt ist. OOH!: Zugleich ist die Laufzeit der Verträge zwischen OOH-Vermarktern und Kommunen in Deutschland häufig länger als in der Schweiz. Liegt hier nicht der Zusammenhang zwischen einer ausreichend langen vertraglichen Sicherheit und dem Mut der Unternehmen zu kostenintensiven Innovationen nahe? Haedrich: ImGegenteil. Die Kurzlebigkeit des digitalen Geschäftes mit immer neuen Geschäftsmodellen und die aufkommende Nähe zu anderen digitalen Medien führt dazu, dass niemand vorhersehen kann, wie die Branche in fünf Jahren aussieht. Es ist von den Städten „Selbstmord“ sich hier langfristig festzulegen, weil sie sich damit von höheren Einnahmen und einer verbesserten Aussenwerbequalität selbst abschneiden. Müller: Wer innovativ ist und für beide Marktseiten faire und attraktive Vertragsmodelle und Lösungen anbietet, muss sich vor kürzeren Laufzeiten auch nicht fürchten. Eine geeignete vertragliche Gestaltung kann das Risiko auf beiden Seiten heute schon abfedern. Das zeigen auch unsere Ergebnisse zu den Folgen bestimmter Vertragsgestaltungen in Pandemiezeiten. Davon müssen beide Partner Gebrauch machen und nicht Innovationen durch unnötige Fesseln abwürgen. OOH!: Eine große Mehrheit der Städte und Kommunen in DACH strebt die Modernisierung und Digitalisierung von OOH-Werbeträgern an. Wie ließe sich dieses Ziel angesichts chronisch leerer öffentlicher Kassen umsetzen, wenn die Kommunen tatsächlich in die unternehmerische Verantwortung einträten? Müller: Beide Seiten müssen unternehmerisch denken. Geschäftsmodelle, die heute bereits in anderenWerbebranchen bewährt sind, werden auch die DOOH-Branche erreichen. Die Zeiten sind günstig, Finanzmittel für lukrative Geschäftsmodelle zu akquirieren. Das gilt auch für die Städte. Attraktive Inventare und lukrative Verträge können übrigens dazu beitragen, eine kritische Finanzsituation zu entschärfen. OOH!: Die internen Strukturen der Städte und Gemeinden zeugen derzeit von wenig Neigung, sich bei der Aussenwerbung um mehr als Bestands- und Einnahmenverwaltung kümmern zu wollen. Ist es realistisch, ein Interesse der Kommunen an aktiver Geschäftstätigkeit mit allen Unwägbarkeiten zu erwarten? Haedrich: Neue Marktplayer kümmern sich darum, dass Städte kompetenter auftreten können. Gerade Städte, Gemeinden und Verkehrsbetriebe, bei denen sich eigene Stellen bzw. Abteilungen um das Inventar kümmern, zeigen sich dafür sehr aufgeschlossen und nehmen entsprechende Dienstleistungen und Softwarelösungen – auch während der laufenden Verträge – intensiv in Anspruch. Interview: Karin Winter Über die HBM Unternehmerschule an der Universität St. Gallen (HSG) Die Executive School der Universität St. Gallen ist die größte Anbieterin universitärer Weiterbildungsprogramme im deutschsprachigen Raum. Sie konzentriert sich namentlich auf integrative Angebote an den Schnittstellen von Management, Technologie und Recht. Die Henri B. Meier Unternehmerschule setzt die Vision um, durch Managementausbildung einen wesentlichen Beitrag für die zukünftigeWertschöpfung im Unternehmen beizutragen. Dazu bietet sie praxisorientierte Diplom- und Zertifikatsprogramme sowie Intensivworkshops auf Basis wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse an. Wi managen Städte ihre insbesond re im Zeitalte Ergebnisse einer explorativen St.Gallen im Juni bis August 2 Weiterlesen! Die vollständigen Ergebnisse der Studie stehen hier zum Download für Sie bereit. 21 OOH!–Fokus

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