OOH-Magazin Ausgabe 1 - 2022

wurden die Schockfotos auf den Zigarettenpackungen Pflicht, womit eine Richtlinie der EU umgesetzt wurde. Auch hier gab es wieder unterschiedliche Reaktionen. Was die einen für eine nötige Maßnahme im Kampf gegen die Langzeitschäden des Rauchens hielten, war für andere ein unzulässiger Eingriff in die Marketingkommunikation. Ihr Argument: Tabakhersteller haben jahrelang Millionenbeträge in den Aufbau ihrer Marke investiert, zu der das Packungsdesign wesentlich beiträgt. Die Maßnahme trage Züge einer Enteignung. 2024: Werbeverbot für E-Zigaretten Inzwischen kam es allerdings noch dicker. Seit diesem Jahr gibt es in der Aussenwerbung keine Tabakwerbung mehr, womit der Branche einer der jahrelang treuesten Kunden verloren ging. Im nächsten Jahr soll auch ein Werbeverbot für die Tabakerhitzer folgen, im Jahr 2024 dann für E-Zigaretten. Manchen geht auch das nicht weit genug. Der Nichtraucherschutzverband Deutschland kritisiert, dass nach wie vor an Sonnenschirmen in der Gastronomie und am Point of Sale geworben werden dürfe und fordert jetzt ein „absolutes“ Tabakwerbeverbot. „Alle immer noch bestehenden Lücken (Kino, Ambient Media, Werbung am Verkaufsort und in Innenräumen, Promotion, Sponsoring, etc.) müssen umfassend und umgehungssicher geschlossen werden“, heißt es in einem Appell an die Bundesregierung. Kritiker sprechen in diesem Kontext gerne vom „Nanny-State“. Mit diesem Begriff wird der Umstand beschrieben, dass sich der Staat wie ein Kindermädchen um das Wohlergehen seiner Bürger sorgt und versucht, sie von allen schädlichen Einflüssen fernzuhalten. Und nicht nur das: Es will sie auch daran hindern, sich vielleicht ganz bewusst für einen „falschen“ Weg zu entscheiden. Eine Reihe von liberalen Wirtschaftspolitikern hat bereits den „Nanny-Staat“-Index errechnet, der nach einem komplizierten System eine Rangreihe der staatlichen Regulierungen für Essen, Trinken und Rauchen auflistet. In der Tabelle aus dem Jahr 2021 wird als das am stärksten bevormundete Land innerhalb Europas Norwegen aufgeführt, gefolgt von Litauen und Finnland. Am unteren Ende, also dort, wo es noch relativ frei zugeht, rangieren Tschechien und – tatsächlich – auch Deutschland. Bundesregierung will Werbung für Süßigkeiten einschränken Ist also doch alles unbegründete Panikmache? Nein, sagen Kritiker und verweisen beispielsweise auf die Pläne der neuen Bundesregierung. Die hat der Werbung für ungesunde Lebensmittel wie Süßwaren oder Limonade den Kampf angesagt. "An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben“, so steht es im Koalitionsvertrag. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist gerade dabei eine konkrete Umsetzung des Vorhabens zu planen. Nicht wenige halten diese Maßnahmen für vernünftig und weisen darauf hin, dass entsprechende freiwillige Selbstverpflichtungen der Vorgängerregierung wenig gebracht hätten. Andere aber sehen darin nur einen weiteren Schritt, der Werbebranche Hürden aufzuerlegen – einem Wirtschaftszweig, der in Politik und Öffentlichkeit wenig Beachtung und nur geringe Wertschätzung genießt. Aktuell richten sich die Blicke dieser Branche erneut mit sorgenvoller Miene in die Schweiz. Dort haben die Jungen Grünen in der Euphorie der gewonnenen Volksabstimmung gerade ein allgemeines Werbeverbot für Konsumgüter gefordert. Werbung schaffe künstliche Anreize und Bedürfnisse und sei damit schädlich für die Gesellschaft, so ihre Argumentation. Auf die Frage, wie Firmen dann überhaupt noch auf ihr Produkt aufmerksam machen sollten, wusste man allerdings auch bei den Jungen Grünen keine Antwort. Helmut van Rinsum Tabakwerbeverbot in der Schweiz: Das „Nein-Komitee“ warnte in seiner Kampagne vor der Büchse der Pandora. 23 OOH-Aspekte

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyMzYy